Pflanzenhaarfarben und Natur-Haarfarben: So werden sie richtig angewendet

Autor: ÖKO-TEST-Redaktion | Kategorie: Kosmetik und Mode | 01.05.2020

Pflanzenhaarfarben und Natur-Haarfarben: So werden sie richtig angewendet
Foto: CC0 / Unsplash / Rodolfo Sanches Carvalho

Mt Pflanzenhaarfarben verbinden viele noch immer Öko-Muff und grelles Henna, und graue Haare lassen sich mit natürlichen Pigmenten erst recht nicht abdecken. Oder vielleicht doch? Unser ganz praxisnaher Überblick über Pflanzen-, Bio- und Natur-Haarfarben beweist das Gegenteil.

Pflanzenhaarfarben sind wesentlich vielseitiger und modischer als ihr Ruf. "Natürlich gibt es gewisse Limits bei Naturfarben", räumt Elvira Hermenau, Chefin von vier 'Just Nature'-Friseursalons, ein. So ist starkes Aufhellen dunkler Haare ebenso wenig möglich wie eine radikale Typveränderung.

"Doch auf Basis von Henna, Indigoblättern, Walnuss oder Römischer Kamille sind ganz viele Farbtöne und Abstufungen möglich, ganz individuell je nach Beschaffenheit des Haares und der Ausgangshaarfarbe", schwärmt die Friseurmeisterin, die ihr Haar selbst in einem zarten, natürlich pflanzenbasierten Rotblond trägt.

Pflanzenhaarfarben wirken ohne Chemie

Konventionelle Oxidationshaarfarben öffnen die Schuppenschicht der Haare gewaltsam, dringen ins Haar ein lagern dort die künstlichen Farbpigmente ein, um die Haarfarbe zu ändern. Bio-Haarfarben funktionieren anders: Die aus Pflanzenbestandteilen wie Rinden, Blättern oder Schalen gewonnenen Pigmente legen sich wie eine Lasur außen um das Haar, schützen es und sorgen für natürlichen Glanz.

Bei chemisch gefärbten Haaren sollen Pflegespülungen die aufgeraute Schuppenschicht glätten und das strapazierte Haar reparieren – oft vergeblich. "Viele Frauen um die 50 denken, dass ihre Haare aufgrund der Wechseljahre immer dünner werden – alles Blödsinn", ereifert sich Elvira Hermenau. "Die laugen schlicht und ergreifend auf Dauer aus, wenn sie jahrelang der harten chemischen Prozedur unterzogen werden."

Bio-Haarfarben im Live-Test

Die temperamentvolle Naturfriseurin war begeistert von unserer Idee, zu zeigen, was natürliche Farben können, und wie sie am besten angewendet werden. Im Umkreis von Frankfurt am Main hat sie eine Reihe von Frauen zusammengetrommelt, die ihr als Farbmodelle den Kopf hinhalten.

Darunter sind Frauen mit ergrautem oder chemisch gefärbten Haaren, blonde, rothaarige und brünette, einige, die noch nie gefärbt haben, die aufgrund einer Erkrankung auf Pflanzenfarben umsteigen wollen und sogar eine Dame, die normalerweise "auf alles, was mit Naturkosmetik oder Pflanzen zu tun hat, absolut allergisch reagiert". Das Ergebnis jedenfalls hat die Frauen überzeugt.

Pflanzenhaarfarben in der Praxisanwendung
Pflanzenhaarfarben in der Praxisanwendung (Foto: Ullrich Böhnke/ÖKO-TEST)

1. Vorher: Bürsten mit Naturborsten

Zunächst aber wird nicht gefärbt, sondern: gebürstet. Schon unsere Großmütter wussten, dass 100 Bürstenstriche das Haar glänzend machen. Bei Naturfriseuren gehört das Bürsten mit Naturborsten zum festen Haarpflegeprogramm.

"Wildschweinborsten sind besonders hart und gelangen bis an die Kopfhaut", erläutert Elvira Hermenau. Dort nehmen sie überflüssiges Haarfett auf und transportieren es als intensive Pflege in die Längen und Spitzen. "Außerdem werden jene Muskeln stimuliert, die für das Aufrichten der Haare verantwortlich sind und die durch Conditioner oder Schaumfestiger faul werden."

2. Danach: Massage mit Naturkosmetik

Dem Bürsten der Haare folgt eine Kopfmassage mit Argan- oder Neemöl und – je nach Kundentyp und Wetter – einigen Tropfen ätherischem Öl.

3. Auch vor Pflanzenhaarfarben wird gewaschen

Damit sich die Pflanzenhaarfarbe optimal mit den Haaren verbindet, werden Schmutz, Reste von Silikon und andere Rückstände von Pflegeprodukten ausgewaschen.

Wichtig: Verwenden Sie natürliche Shampoos ohne Silikone, denn der Kunststoff Silikon umschließt das Haar, um Volumen, Glanz und Festigkeit so simulieren. Dass hat aber den Nachteil, dass die Naturfarbe nicht so gut einwirken kann.

Pflanzenhaarfarben: Pulver in der Anmischung
Pflanzenhaarfarben: Pulver in der Anmischung (Foto: Ullrich Böhnke/ÖKO-TEST)

4. Anrühren des Farbpulvers

Aus einer Palette von gut 90 Grundtönen erstellt das Friseur-Team aus zwei bis drei erdig-würzig riechenden Pigmentpulvern den individuellen Farbton für jede Kundin.

Je nach Ausgangshaarfarbe und gewünschter Nuance greifen die Friseurinnen dafür auf die Produkte verschiedener Firmen zurück, denn jede hat besondere Stärken in einem bestimmten Farbspektrum.

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5. Auftragen der Farbpaste

Die Farbpaste wird möglichst warm aufgetragen. Zunächst wird das Haar bis zum Nacken gescheitelt und der Haaransatz eingepinselt. Dann Strähne für Strähne vom oberen Punkt des Kopfes aus bis in die Spitzen. Jede Strähne wird je nach Haarlänge kreisförmig um den Kopf gelegt, die Farbe gleichmäßig verteilt.

Pflanzenhaarfarben müssen nach dem Auftragen warm und feucht gehalten werden.
Pflanzenhaarfarben müssen nach dem Auftragen warm und feucht gehalten werden. (Foto: Ullrich Böhnke/ÖKO-TEST)

6. Feucht und warm halten

Direkt nach dem Farbauftrag kommt das Haar unter ein warmes, feuchtes Tuch, um die Farbe geschmeidig zu halten. Denn getrocknete, bröselige Farbe ist wirkungslos. Dann kommt noch ein Handtuch als Turban darum.

7. Einwirkzeit

Die Einwirkzeit von Pflanzenfarben ist abhängig vom gewünschten Farbton und der Beschaffenheit der Haare. In der Zwischenzeit kann man sich eine pflegende Gesichtsmaske gönnen.

Übrigens: Wir haben rund 50 Gesichtsmasken getestet, mehr als die Hälfte können wir empfehlen. Hier lesen Sie mehr: Gesichtsmasken-Test.

Pflanzenhaarfarben in der praktischen Anwendung: Beim Föhnen auf niedrige Temperatur stellen!
Pflanzenhaarfarben in der praktischen Anwendung: Beim Föhnen auf niedrige Temperatur stellen! (Foto: Ullrich Böhnke/ÖKO-TEST)

8. Auswaschen

Herzstücke in den Salons von 'Just Nature' sind die Waschliegen. "Das ist einfach bequemer für unsere Kunden", begründet Chefin Elvira Hermenau, "denn es dauert relativ lange, bis Pflanzenfarbe mit klarem Wasser ausgespült ist."

Sie rät dazu, das Haar erst ein, zwei Tage später zu shampoonieren, da die Farbpigmente im Anschluss an das Färben noch etwas instabil sind.

9. Abschließendes Stylen

Der Föhn läuft auf niedriger Temperatur, um Haare und Kopfhaut zu schonen. Anschließend wird die Frisur meist mit den Fingern in Form gezupft – Stylingprodukte wie Haarwachs, Haarspray oder Haargel sind laut der Friseurin unnötig, weil die Pflanzenfarben viel Volumen ins Haar bringen.

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Fragen und Antworten zum Färben mit Pflanzenhaarfarben

Hier klären wir häufige Fragen zur Anwendung und zu den Kosten von Pflanzenhaarfarben, Bio-Haarfarben und Natur-Haarfarben.

Welche Farbtöne sind möglich? Neben verschiedenen Rot-Nuancen erzielt man inzwischen auch dunkle Farbabdeckungen wie Dunkelbraun und Schwarz, aber auch unterschiedlichste Blondtöne von kühlem Aschblond über Beige bis zu warmem Goldblond.

Bio-Farben: Wo liegen die Limits? Radikale Typveränderungen – etwa von schwarzhaarig zu blondem Vamp – sind auf natürlichem Weg nicht zu machen. Denn Blondierungen funktionieren nur mit aggressivem Wasserstoffperoxid, die das Haar erst komplett depigmentieren und dann den hellen Farbton einbringen.

Lässt sich chemisch gefärbtes Haar noch natürlich färben? Ja. "Wenn das nicht möglich wäre, hätten wir so gut wie keine Kundinnen", lacht Naturfriseurin Elvira Hermenau. Denn die meisten ihrer Neukundinnen hätten bislang nur Erfahrung mit synthetischen Haarfarben gemacht. Möglicherweise hält die Pflanzenfarbe anfangs nicht so lange. Daher rät Elvira Hermenau zu zwei bis drei Nachbehandlungen innerhalb einiger Wochen. Außerdem sollte man nach einer chemischen Haarfärbung mindestens vier Wochen warten, bis man zur Pflanzenfarbe greift, sonst kann es zu Fehlfärbungen kommen.

Auch dunkle Töne von Dunkelbraun bis Schwarz sind mit Bio-Haarfarbe möglich.
Auch dunkle Töne von Dunkelbraun bis Schwarz sind mit Bio-Haarfarbe möglich. (Foto: CC0 / Unsplash / Suhyeon Choi)

Können Pflanzenfarben Allergien auslösen? Auch beim Umgang mit Pflanzenhaarfarben kann es zu Allergien und Unverträglichkeiten kommen. Wer unsicher ist oder ein erhöhtes Allergiepotenzial hat, sollte beim Hautarzt einen Allergietest durchführen lassen.

Wie oft muss ich nachfärben? Das kommt auf das jeweilige Haar, den Farbton und die Pflegegewohnheiten an. Je häufiger man mit Pflanzenhaarfarben färbt, desto höher ist die Haltbarkeit. Pflanzenfarben verbinden sich sehr stabil mit dem Haar und sind einige Wochen bis Monate haltbar. Vorteil: Man muss nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt nachfärben, da es keinen harten Ansatz gibt.

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Was kostet das Färben beim Naturfriseur? Das Färben mit Pflanzenfarben ist in der Regel teurer als eine Farbbehandlung beim konventionellen Friseur.

Beispiel: Bei 'Just Nature' zahlen Kundinnen für die Erstbehandlung mit Pflanzenfarbe mindestens 99 Euro, danach für Haar bis Schulterlänge je 55 bis 75 Euro, bei längerem Haar 65 bis 150 Euro. Darüber hinaus muss man anfangs mit mehreren Sitzungen rechnen, um den gewünschten Farbton zu erreichen.

Zum Vergleich: Konventionelle Friseure in Innenstadtlagen größerer Städte liegen beim Färben mit Oxidationshaarfarben je nach Haarlänge zwischen 40 und 75 Euro; Strähnen werden in der Regel pro Folie berechnet: meist zwischen 2 und 2,50 Euro. Vorteil von Naturfriseuren: Sie mischen die Farben individuell für jede Kundin und verwenden zertifizierte Naturkosmetikprodukte und -farben.

Wie finde ich einen Naturfriseur? Wenn Sie einen Naturfriseur in Ihrer Nähe suchen, nutzen Sie am einfachsten die Suchmaschine, um nach den Stichworten "Naturfriseur", "Biofriseur" oder "natürlicher Friseur" in Ihrer Nähe zu suchen.

Die Bio-Haarfarbe Henna geht eine starke Verbindung mit dem Haar ein.
Die Bio-Haarfarbe Henna geht eine starke Verbindung mit dem Haar ein. (Foto: CC0 / Unsplash / Rodolfo Sanches Carvalho)

Graues Haar mit Pflanzenfarbe überdecken

Ihr Haar ist eine Herausforderung für Pflanzenfarbe: Sylvie Kath, von Natur aus brünett, war zwar froh, als ihre Haare nach einer erfolgreichen Chemotherapie wieder wuchsen. Doch dass der Schopf nun stark ergraut war, damit konnte sie sich nicht anfreunden.

"Jedes Mal, wenn ich mich im Spiegel erblickt habe, dachte ich: Das bin ich doch nicht", sagt sie. Aber chemisches Färben kam für sie schon aufgrund der überstandenen Erkrankung auf keinen Fall mehr infrage.

Um graues Haar erfolgreich abzudecken, färben Naturfriseure in der Regel in zwei Schritten, vor allem wenn die gewünschte Farbnuance recht dunkel ist. Der Grund: Der Pflanzenfarbstoff Henna geht eine deutlich stärkere Verbindung mit dem Haar ein als der für dunkle Töne verantwortliche Farbstoff Indigo. Das kann zu starken Kontrasten zwischen dem noch vorhandenen Naturton und den grauen Strähnen führen.

Wird das Haar jedoch zunächst vorgefärbt, haften die Indigo-Anteile anschließend besser daran. Im zweiten Schritt wird praktisch als Komplementärfarbe der gewünschte Braunton eingefärbt. Sylvie Kath jedenfalls war glücklich: Jetzt erinnern nur noch einzelne, hellbraune Strähnchen an das ungeliebte Grau auf dem Kopf.

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